Newsletter Nr. 143 (DE)

Rechtsdurchsetzung in Hongkong

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I. Einführung

 

2008 wurde das Rechtssystem von Hongkong von ausländischen Führungskräften zum bes­ten Rechtssystem in Asien gewählt, was als Gip­fel einer 200 Jahre andauernden Entwick­lung angesehen werden kann.

 

Während der Kolonialzeit wurden von Groß­bri­tannien in Hongkong das Rechts­system des Common Law sowie der entspre­chende Ge­richtsaufbau eingeführt. Dies bildet den Grund­stein für das im Vergleich zu anderen asi­ati­schen Ländern moderne und verlässliche  Rechtssystem. Gleichzeitig konnte sich da­durch die ehemals kleine und unbedeutende  In­sel im südchinesischen Meer zu einer der füh­renden Fi­nanzmetropolen der Welt entwi­ckeln. Trotz der Rückgabe an China am 01. Juli 1997 behält Hongkong zu­mindest für die nächs­ten 50 Jahre seine Unabhän­gigkeit im Jus­tizwesen.

 

Nichtsdestotrotz hat Hongkong eines der lang­samsten Gerichtsverfahren der modernen Welt. Ferner sind die Kosten für Rechtsbera­tung und Rechtsvertretung erheblich höher als in anderen Jurisdiktionen und erreichen fast Aus­maße wie in den USA. Weiterhin ist es auch nicht ganz korrekt, das Hongkonger Ge­richtssystem als „fair“ zu bezeichnen, da der Ge­winner eines Rechtsstreits vom Verlierer nicht die gesamten Kosten ersetzt bekommt. So bekommt der Gewinner selbst im Falle ei­nes vollständigen Obsiegens lediglich 60 % – 75 % der Kosten erstattet. Damit besteht die Möglichkeit, dass der finanziell stärkere den fi­nanziell schwächeren allein aufgrund von Geld­mangel ausbooten kann und schließlich (eventuell nach mehreren Instanzen) den Streit gewinnt.

 

II. Gerichtsaufbau und Verhand­lun­gen in Hongkong

 

1. Welche Rechte können gerichtlich geltend gemacht werden?

a) Anspruch auf Geldzahlung

Jeder dem ein potenzieller Anspruch auf Geld­zahlung gegen einen Schuldner zusteht, kann den An­spruch vor dem zuständigen Gericht gel­tend machen und einklagen. Dar­über hinaus besteht die Möglichkeit, die Liquidation des Schuldners zu betreiben oder den Anspruch über außergerichtliche Streitbeilegungs­metho­den durchzusetzen.

 

b) Auskunftsanspruch

Unter Umständen benötigt der Kläger vor der Einreichung der Klage weitere Informationen von dem Beklagten oder einer dritten Person, um seinen Anspruch genau zu betiteln oder so genau zu beziffern, dass die Klage vor Gericht anhängig gemacht werden kann ohne Gefahr zu laufen, als unsubstantiiert abgewiesen zu wer­den.

 

Das Hongkonger Zivilprozessrecht kennt an sich keinen solchen Auskunftsanspruch. Aller­dings gibt es im Wege der Beweisaufnahme  die Mög­lichkeit, von der anderen Partei (oder auch von einem Dritten) bestimmte Informati­o­nen ein­zufordern.

 

(i) Anspruch gegen den Beklagten selbst

Um im Wege der Beweisaufnahme einen Aus­kunftsanspruch gegen den Beklagten geltend zu machen, muss der Kläger nachweisen, dass

 

  • er zumindest dem Anschein nach einen An­spruch gegen den Beklagten hat,
  • die angeforderten Auskünfte später im Ver­fahren ohnehin eingeholt werden müss­ten, und
  • es nicht unmöglich erscheint, dass die an­ge­forderten Aus­künfte die Ur­teilsfin­dung erleichtern.

 

(ii) Anspruch gegen Dritten

Ein Anspruch auf Auskunft kann auch gegen ei­nen Dritten, der am Rechtsstreit eigentlich un­beteiligt ist, durchgesetzt werden, wenn

 

  • der Dritte zwar nicht direkt Partei des Rechtsstreits ist, aber doch so invol­viert ist, dass er Informationen hat, die für die Kla­ge wichtig sind,
  • es nicht völlig abwegig erscheint, dass der Dritte die bezeichneten Informationen tat­sächlich besitzt, und
  • es gerecht erscheint, diesen Auskunfts­an­spruch zuzulassen.

 

Die meisten der aktuell verhandelten Fälle in Be­zug auf Auskunftsansprüche vor Hongkon­ger Gerichten betrafen vor allem Aus­künfte in Bezug auf falsche Behauptungen auf Internet­sei­ten. Hierzu mussten die Kläger darle­gen, dass Ihnen zumindest dem ersten An­schein nach (prima facie) ein Anspruch ge­gen den Be­klagten zusteht und sie mussten darle­gen, dass die Information, die sie von den Betreibern der Internetseite benötigten (meis­tens die wahre Identität des Beklagten), unabding­bar für die Geltendmachung ihres Hauptanspru­ches (Lö­schung, Änderung der Ein­tragung, aber auch Schadensersatz) ist (z.B.: Cinepoly Records Com­pany limited &others vs. Hong Kong Broadband Net­work Limited & Others [2006] 1 HKLRD 255).

 

Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass sich ein solcher Auskunftsanspruch nicht direkt aus dem Zivilprozessrecht ergibt, sondern es sich da­bei um Richterrecht handelt, dass sich in der Vergangenheit aus älteren Urteilen ge­bildet hat. Demgemäß steht es im jeweiligen Ermessen des Richters, ob er dem geltend ge­machten Anspruch stattgibt. Weiterhin ist zu be­achten, dass vor allem Auskunftsansprüche ge­gen Dritte recht kostenintensiv sein können. So wird das erkennende Gericht regelmäßig ei­ne Sicherheitsleistung des Klägers fordern, die zumindest so hoch ist, dass sie sowohl die wahrscheinlichen Kosten der dritten Partei zur Erlangung der Auskunft, als auch etwaige wei­tere Auslagen deckt.

 

c) Unterlassungsanspruch

Weiterhin kann vor Gericht geltend ge­macht wer­den, dass jemand eine bestimmte Handlung vornimmt oder eine bestimmte Hand­lung un­ter­lässt.

 

Hierfür kann ein Gericht auch einstweilige Ver­fü­gungen anordnen, zum Beispiel kann ange­ord­net werden, dass es jemandem verbo­ten wird, eine Immobilie oder anderes Eigen­tum zu veräu­ßern, bis die endgültige Eigentums­lage fest­gestellt wurde.

 

Als weiterer Anspruch kann die Herstellung ei­nes bestimmten Zustandes angeordnet werden. Dies ist vor allem bei Kaufverträgen der Fall, wenn die verkaufte Sache einen Mangel hat. Im Gegensatz zu kontinentaleuropäischem Recht ist der Primäranspruch des Käufers in solchen Fällen ein Schadensersatzanspruch. Dies hat den Hintergrund, dass im Common Law die Übereignung einer mangelhaften Sache eine so schwere Pflichtverletzung darstellt, dass dem Käu­fer nicht zugemutet werden kann an dem Vertrag festzuhalten. Der Verkäufer macht sich folglich, ohne ein Recht zur zweiten Andie­nung, schadensersatzpflichtig. Demgegenüber steht bspw. dem Käufer in Deutschland zunächst das Recht auf Nachbes­se­rung bzw. Nachlieferung zu, sodass erst nach dem zweiten Andienungsversuch und bei Ver­schulden des Verkäufers eine Schadens­ersatzpflicht entstehen kann (sog. großer oder kleiner Schadensersatz).

 

In Hongkong hingegen werden Nachbesse­rung bzw. Nachlieferung nur angeordnet, wenn eine finanzielle Entschädigung des Klägers nicht aus­reichend ist, wenn er also z.B. beim Stück­kauf ein sehr hohes Interesse an dem Er­werb ei­nes bestimmten Gutes hat.

 

2. Ablauf eines Gerichtsverfahrens

Ein Gerichtsverfahren läuft in folgenden Schrit­ten ab:

a) Anwaltsschreiben

 

Für die Einleitung eines Gerichtsverfahrens ist es in Hongkong nicht notwendig, dem Schuld­ner ein forma­les Anwaltsschreiben zukommen zu las­sen. Dennoch empfiehlt sich dies als eine Art „letzte Warnung“, um doch noch zu versu­chen, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden und eine schnelle und kostengünstige Einigung zu er­reichen.

 

b) Klage

Soll kein Anwaltsschreiben verfasst werden, oder ist dies ohne Erfolg geblieben, so ist Kla­ge vor dem zuständigen Gericht zu erhe­ben.

c) Vertretung vor Gericht

(i) Grundsatz

Anders als in Deutsch­land besteht vor allen Hongkonger Gerichten kein Anwaltszwang. In Hongkong können sich sowohl in Zivilrechts­streitigkeiten als auch in strafrecht­lichen Ver­fah­ren die Parteien bzw. die Ange­klagten selbst vertreten. Neben dem Recht der Selbstver­tretung kann eine Partei ähnlich wie in Deutschland Prozesskostenhilfe beantragen.

 

(ii) Solicitors/ Barristers

Wie in Großbritannien ist die Rechtsanwalt­schaft in Hongkong in zwei große Gruppen ge­trennt: Solicitors und Barristers. Beide Grup­pen haben unterschiedliche gesetzliche Grund­lagen und Regelungen und sind auch in unter­schiedlichen Vereinigungen organisiert. Die Hauptunterschiede sind:

 

  • Solicitors können nur in Ge­richten unter­halb des High Courts auftreten, während Bar­rister vor allen Gerichten auftre­ten kön­nen.
  • Solicitors verkehren mit dem je­weiligen Mandanten, wohin­gegen Barrister sich auf die Ver­tretung vor Gericht, das Ver­fassen von Schriftsätzen und die Argumentation im Ge­richtssaal spezialisieren.
  • Der Solicitor wird vom Man­danten beauf­tragt, wohingegen die Barristers durch den ­Solicitor und nicht durch den Mandanten be­auftragt werden.
  • Der Barrister stellt seine Leistun­gen dem Solicitor in Rech­nung. Dieser reicht diese dann an den Mandanten weiter und stellt seine eigenen Leistun­gen ebenfalls dem Man­danten in Rechnung.
  • Solicitors können alleine arbei­ten oder sich in Personengesell­schaften organisieren, wohingegen die meisten Barrister entwe­der al­leine tätig sind, oder sich in sogenannten „Kam­mern“ zusammenschließen, um Kos­ten zu teilen.

 

Die Aufteilung in zwei verschiedene Berufs­zweige geht auf das historische England zu­rück. Das  System wurde eingeführt, um vor Ge­richt mehr Gerechtigkeit zu erreichen, macht heutzutage aber eher wenig Sinn. In den meisten anderen Ländern (Deutschland, USA, Ja­pan, etc.) findet sich eine solche Aufteilung nicht, da sie erhebliche Nachteile hat und kaum Vorteile bringt. Müssen sich zwei unabhängige Rechtsanwälte mit dem gleichen Fall beschäf­ti­gen, so fällt offensichtlich auch die doppelte Ar­beit an, welche dann in Rechnung gestellt wird. Am An­fang beauftragt der Mandant sei­nen Solici­tor, bespricht mit ihm den Fall und der Solici­tor tritt mit der Gegenseite in Kon­takt, um den Streit unter Umständen gütlich zu beenden. Ist dies nicht möglich, so reicht der Soli­citor Klage ein, stellt diese zu und fertigt wei­tere Schrift­stücke im Zuge des Klageverfah­rens. Geht der Fall schlussendlich vor Gericht, so ist ein Barris­ter zu beauftragen, der sämtli­che Unter­lagen nochmals durch­schaut und sich mit dem Sachverhalt vertraut macht. Anschlie­ßend bespricht er den Fall mit dem Solicitor und über­nimmt die Vertretung vor Gericht. In Hongkong ist es auch an der Tagesordnung, dass der Barrister zu Gericht vom Solicitor be­gleitet wird, da dieser sich mit dem Fall unter Um­ständen besser auskennt. Bedenkt man da­bei, dass sowohl der Solicitor  dem Mandanten einen Stunden­satz von 350 Euro aufwärts, als auch der Bar­rister einen Stundensatz von regel­mäßig über 500 Euro in Rechnung stellen, so kommt man schnell zu dem Ergebnis, dass hier Kosten entstehen, die zumindest zu 40% ver­meidbar wären.

 

d) Antrag auf Liquidation

Schuldet der Beklagte dem Kläger einen Betrag von mindestens 10.000 HKD (ca. 1.000 Euro) kann der Kläger parallel zur Klageerhebung (oder auch nur) die Liquidation des Schuldners beantragen, wenn dieser eine juristische Person ist. Hierzu ist dem Schuldner eine Aufforde­rung zur Zahlung zuzustellen und wenn dieser der Aufforderung innerhalb von 21 Tagen nicht nachkommt, kann der Gläubiger bei Ge­richt einen Antrag auf Liquidation stellen. Dies hat den Vorteil, dass mit Stattgabe des Antrags durch das zuständige Gericht Vermögens­gegens­tände des Schuldners gesi­chert werden können. Dabei gilt jedoch zu be­achten, dass das Vermögen des Schuldners im Rahmen der Liquidation mit den anderen Gläubi­gern zu tei­len ist, so dass der Antragstel­ler unter Umstän­den nicht seinen vollen Betrag zurück erhält.

 

3. Gerichtsaufbau in Hongkong von un­ten nach oben:

a) Gerichte

Hongkong hat eine ganze Reihe von sogenann­ten „Tribunals“ eingerichtet, die je­weils auf ei­ne Art von Streitigkeiten speziali­siert sind. So gibt es etwas das „Employment Tri­bunal“, das sich ausschließlich mit Arbeits­recht befasst, oder das „Small Claims Tribu­nal“, das sich mit Streitigkeiten bis zu einem Gegenstandswert von 50.000 HKD (ca. 5.000 Euro) be­fasst. Die Prozessregeln für diese Tribunale sind nicht so streng wie vor ordentlichen Gerich­ten, in man­chen Fällen ist es sogar verbo­ten, sich durch ei­nen Rechtsanwalt vertre­ten zu lassen.

 

b) Magistrates‘ Courts

Die Magistrates‘ Courts sind Strafgerichte, die sich mit Vergehen und Verbrechen bis zu einer Höchststrafe von 2 Jahren oder Geldstrafe von bis zu 100.000 HKD (ca. 10.000 Euro) befas­sen. Liegt die erwartete Strafe darüber, so wird der Fall vor dem District Court oder dem High Court ver­handelt.

 

c) District Courts

Die District Courts sind zuständig für Zivilver­fah­ren mit einem Gegenstandswert von 50.000 HKD bis 1.000.000 HKD (ca. 5.000 – 100.000 Euro). Darüber hin­aus hat der District Court für manche Berei­che die ausschließliche Zu­stän­digkeit. In diesem Fall ordnet das Ge­setz die Zuständig­keit des Ge­richts ausdrück­lich an.  Dazu gehören un­ter an­de­rem (nach der Employees’ Compensation Ordi­nance) alle Ansprüche der Arbeit­nehmer gegenüber dem Arbeitgeber. Ferner sind die District Courts Beru­fungsgericht für von den Tribu­nalen erlas­sene Urteile.

 

Sollte der Streitwert nur etwas über der Grenze von 1 Mio. HKD liegen, so ist es möglich, den Streitwert in der Klage zu reduzieren und so die Zuständigkeit des District Courts zu errei­chen, da dies niedrigere Kosten verursacht als eine Verhandlung vor dem nächst höheren Ge­richt.

 

d) High Court

Unter High Court ist der Court of First In­stance und der Court of Appeal zu verstehen.

 

e) Court of First Instance

Der Court of First Instance ist zuständig für sämtliche Zivil- und Strafsachen, soweit nicht ein niedrigeres Gericht zuständig ist. Weiterhin ist der Court of First Instance Berufungsge­richt für Verfahren der niedrigeren Gerichte.

 

f) Court of Appeal

Der Court of Appeal ist ein reines Berufungs­ge­richt ohne originäre Zuständigkeit. Der Court of Appeal ist Berufungsgericht für vom Court of First In­stance erlassene Urteile.

 

g) Court of Final Appeal

Der Court of Final Appeal ist das höchste Hong­konger Gericht. Revisionen vor diesem Ge­richt sind zulässig, wenn sie von dem Aus­gangs­ge­richt zugelassen worden sind, oder wenn Fra­gen von öffentlichem Interesse be­trof­fen sind. Die Richter am Court of Final Appeal werden, auf Vorschlag einer unabhän­gi­gen Kommission, vom Chief Executive (Hong­kongs höchstem Be­amten) ernannt. Ver­handlungen wer­den von drei dauerhaften  und ei­nem temporär be­rufenen Richter  gehört. Der temporäre Rich­ter muss nicht aus Hongkong stammen, sondern kann aus jedem Land sein, in dem das Common Law gilt.

 

h) Privy Council

Bis vor der Übergabe an China am 01. Juli 1997 war das höchste Hongkonger Gericht das Privy Council in London. Dies ist nun nicht mehr der Fall, auch wenn das Privy Council für andere Länder des Commonwealth noch im­mer das höchste Gericht ist. Dennoch blei­ben Entscheidungen des Privy Council, die vor der Rückgabe Hongkongs an China ergangen sind, in Hongkong geltendes Recht.

 

4. Der Ablauf eines Gerichtsverfahrens

a) Vorverfahren

Wie bereits angesprochen, ist das Verfassen ei­nes Anwaltsschreibens oder einer Mahnung nicht nötig, aber empfehlenswert. Daneben kön­nen die Parteien auch durch außergerichtli­che Verein­barungen versuchen, ein Gerichts­ver­fahren zu vermeiden.

 

b) Einreichung der Klage

Die Klage wird durch die Einreichung eines soge­nannten „Writ of Summons“ zum zustän­digen Gericht eingeleitet. Das Gericht über­prüft dieses Schriftstück, weist dem Fall eine Nummer zu, versieht das Dokument mit einem offiziellen Stempel und gibt es dem Kläger zu­rück. Dieses Dokument muss der Kläger dann in­nerhalb von 12 Monaten dem Beklagten zu­stel­len.

 

Das Writ of Summons ist mit einer Klagebe­grün­dung zu versehen (General Indorsement of Claim, oder Statement of Claim).

 

Zu beachten ist, dass neu eingereichte Klagen zum Gericht grundsätzlich in lokalen Zei­tun­gen veröffentlicht werden, mit dem Hin­weis wer die Parteien sind und welcher  Klagean­spruch in welcher Höhe geltend gemacht wird. Weiterhin ist zu beachten, dass viele Parteien ge­setzlich verpflichtet sind, gegen sie ein­ge­reichte Klagen Dritten mitzu­teilen. Dies sind vor allem Banken, Behörden und Vertrags­part­ner, die ein Interesse daran haben zu erfahren, dass gegen einen ihrer Vertrags­partner Klage er­hoben wurde. Diese Dritten werden dann den gegen ihren Vertrags­partner geltend ge­mach­ten Anspruch überprü­fen (Höhe, Grund, Erfolgsaussichten) und entsprechend handeln. Dies kann die Kün­digung von Darle­hen, die Kündigung von Ver­trägen und die Ein­stellung von Dienstleis­tungen zur Folge ha­ben, wenn diese Option im jeweiligen Ver­trag vorgesehen wurde. Dadurch kann ein erheb­li­cher Druck auf den Beklagten aufgebaut wer­den, wodurch viele Beklagte dazu veranlasst wer­den, eine au­ßer­gerichtliche Einigung zu erzie­len, um weite­ren Nachteilen zu entgehen.

 

c) Antwort des Beklagten

Innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Klage muss der Beklagte den Erhalt der Klage bei Gericht bestätigen und er muss anzeigen, ob er sich hiergegen verteidigen möchte. Ist dies der Fall, hat er weitere 28 Tage Zeit, dem Kläger seine Klageerwiderung zuzustellen.

Handelt es sich um einen Zahlungsanspruch, kann der Beklagte anstelle einer Klageerwide­rung auch einen Vorschlag machen, wie er den Betrag zah­len möchte. Der Kläger hat dann da­r­aufhin 14 Tage Zeit zu antworten.

 

d) Versäumnisurteil

Versäumt es der Beklagte, den Erhalt der Klage zu bestäti­gen, oder versäumt es der Beklagte, recht­zeitig seine Klageerwiderung zuzustellen, so kann der Kläger ein Versäumnisurteil bean­tra­gen. Ist die Klage auf Zahlung eines be­stimmten Betrags gerich­tet, kann das Gericht per Versäumnisurteil ent­scheiden, dass dieser Be­trag zu zahlen ist. Han­delt es sich um eine Klage auf einen unbe­stimmten Betrag, so kann der Kläger bean­tragen, dass das Gericht einen entsprechenden Betrag festsetzt und ein ent­spre­chendes Urteil er­lässt.

 

Ein Versäumnisurteil kann aufgehoben wer­den, wenn der Kläger einen Verfahrensfehler be­gangen hat (falsche Zustellung der Klage etc.). In allen andern Fällen wird das Versäum­nisurteil nur aufgehoben, wenn der Beklagte echte bzw. hohe Erfolgsaussichten hat.

 

e) Widerklage

Der Beklagte kann zusammen mit seiner Kla­ge­erwiderung auch Widerklage erheben, ge­gen die der Kläger sich dann verteidigen muss. Tut der Kläger und Widerbeklagte dies nicht, läuft er Gefahr, dass gegen ihn ein Versäumnis­urteil ergeht.

 

Abgesehen davon muss der Kläger auf die Klage­erwiderung des Beklagten nicht antwor­ten. Eine Ant­wort empfiehlt sich hingegen, wenn vom Be­klagten substantielle Vorwürfe oder Verteidi­gungen vorgebracht werden, die der Klä­ger dann entkräften sollte.

 

Der gesamte Austausch von Schriftsätzen wird als „Pleadings“ bezeichnet, die grundsätzlich von einem Barrister entworfen werden und dann vom Solicitor unterzeichnet und bei Ge­richt eingereicht werden.

 

f) Urteil im Schnellverfahren

Ist der Kläger der Meinung dass der Klage­an­spruch klar ist und keiner Diskussion bedarf, kann er einen Antrag auf ein Urteil im Schnell­ver­fahren (Summary Judgement) stellen. Folgt der Richter dieser Ansicht, hält er die Klage al­so für begründet und die Verteidigung für nicht substantiiert, so kann er ein solches Ur­teil erlassen. Diese Vorgehensweise geht ge­mein­hin erheblich schneller als eine komplette Ge­richtsverhandlung mit der Anhörung von Zeu­gen, etc.

 

g) Vorläufiger Zeitplan

Nach Einreichung der Schriftsätze haben beide Seiten einen vorläufigen Zeitplan einzureichen, in dem sie unter anderem die nächsten Schritte mit den geplanten Daten nennen, aber auch schon ihre Zeugen und Gutachter benennen. Es empfiehlt sich, diesen Zeitplan zwi­schen den Parteien abzustimmen, bevor er bei Ge­richt eingereicht wird.

 

Nach Einreichung des Zeitplans bei Gericht muss seitens des Klägers innerhalb von weite­ren 14 Tagen ein sogenannter „Case Manage­ment Summons“ eingereicht werden, in dem vom Kläger weitere Einzelheiten wie zum Bei­spiel Beweiserhebung, etc. vorgeschlagen wer­den. Dies wird dann vom Gericht überprüft, bes­tätigt bzw. abgeändert und anschließend den Par­teien zugestellt. Dieser Zeitplan ist ver­bind­lich für den weiteren Verlauf des Prozes­ses und kann grundsätzlich nur aus wichti­gem Grund und auf Antrag einer Partei abgeändert werden.

 

h) Mediation

Seit 2010 ist es in Hongkong Pflicht, vor einem Gerichtsverfahren ein Mediations­verfahren durchzuführen. Hierzu gibt es zertifi­zierte Stel­len, bei denen neutrale Mediato­ren ange­stellt sind und mit denen die Parteien zusam­men treffen, um eine außer­gerichtliche Eini­gung zu erzielen. Eine nicht uner­hebliche An­zahl von Streitigkeiten kann hier­durch schon bei­gelegt werden, bevor sich das Gericht mit die­sen be­fasst. Ist eine Einigung nicht mög­lich, so stellt der Mediator eine Bescheinigung aus, die bei Gericht als Nachweis der geschei­terten Media­tion vorzulegen ist.

 

i) Aufnahme in die Gerichtsliste

Ist die Mediation ergebnislos verlaufen und wurde der „Case Management Summons“ den Parteien zugestellt, so muss als nächstes der Klä­ger beim Gericht einen Antrag stellen, seine Klage in die Warteliste aufzunehmen. Hierzu ist die komplette Klageschrift nochmals bei Ge­richt einzureichen. Für Fälle, für die weniger als drei Verhandlungstage angesetzt werden, wird die „Running List“ geführt, für alle ande­ren umfangreicheren Prozesse wird die „Fic­ture List“. Bei Letzterer müssen beide Parteien vor einem Mitarbeiter des Gerichts er­scheinen, der dann in Abstimmung mit beiden Parteien einen Termin für die mündliche Ver­handlung festlegt. Für die Running List ist das Prozedere anders: Für diese wird einseitig vom Gericht ein Verhandlungstermin festgelegt. Wenn sich die Zeit bis zu diesem Termin auf zwei Monate verkürzt hat, wird die Klage in die „Pending List“ aufgenommen. Verkürzt sich die Zeit dann auf eine Woche, so kommt die Klage auf die „Warned List“. Es ist also nötig, dass die Parteien regelmäßig überprüfen, auf wel­cher Liste ihr Fall gerade ist, um durch eventu­elle Terminverschiebungen, die den Par­teien nicht mitgeteilt werden, zu verhindern, dass sie den Termin verpassen.

 

j) Mündliche Verhandlung

Bei der mündlichen Verhandlung tragen die Bar­rister der beiden Parteien ihre Standpunkte vor und es werden Zeugen und Gutachter be­ru­fen und vom Gericht als auch von den Par­teien befragt. Hiernach wird vom Gericht das Urteil erlassen. Es ergeht aber in den seltens­ten Fällen ein Stuhlurteil, normalerweise wird das Urteil binnen einiger Tage nach der letz­ten Verhandlung  zugestellt.

 

k) Gütliche Einigung

Während der gesamten Verhandlung steht den Parteien die Möglichkeit offen, sich gütlich zu ei­nigen.

 

Schlägt eine Partei den Antrag der anderen Par­tei, sich gütlich zu einigen, aus und stellt sich am Ende des Prozesses heraus, dass die aus­schla­gende Partei im Urteil weniger erhält als sie durch den Vergleich erhalten hätte, so steht ihr keinerlei Anspruch auf Ersatz von Kosten zu. Dies soll die Parteien dazu bringen, sich Ver­gleichsangebote genau zu überlegen. Sollten sich die Parteien einigen, so muss der Vergleich nicht vom Gericht bestätigt werden. Allerdings wird das Gericht ein formales Schriftstück er­stel­len, in dem der Vergleich protokolliert ist. Aus diesem Schriftstück kann die Vollstre­ckung betrieben werden.

 

5. Dauer

Im Durchschnitt vergehen in Hongkong ca. 2 (!!) Jahre, ehe es zur mündlichen Verhandlung kommt. Die meiste Zeit wird dabei mit Warten auf den Termin zur mündlichen Verhandlung verbracht.

 

Die offizielle Statistik listet die Dauer (in Ta­gen) wie folgt.

 

 

Ob eine solch lange Wartezeit bis zur münd­li­chen Verhand­lung noch als fair bezeichnet wer­den kann ist äußerst fraglich, zumindest eu­ro­päi­sche Gerichte haben in der Vergangen­heit des Öfteren entschieden, dass eine zu lange Verfah­rensdauer einen Verstoß gegen das Recht auf eine faire Verhandlung darstellt.

 

Darüber hinaus verursacht solch eine Wartezeit auch erhebliche praktische Probleme, da nach langer Wartezeit Gesellschaften schon liqui­diert sein können, Personen Hongkong verlas­sen haben können, verstorben sein mögen oder sich schlicht nicht mehr erinnern können, was vor zwei Jahren wirklich passiert ist. Bis zu ei­nem fi­nalen Urteil, möglicherweise über meh­rere In­stanzen, können so bis zu 4 Jahre verge­hen, was die Rechtsdurchsetzung erheblich er­schwert, wenn nicht sogar unmöglich macht.

 

6. Kosten

a) Anwaltskosten

Erfolgshonorare für Anwälte sind in Hong­kong aus gutem Grund verboten, so dass jede Seite ihre Kosten vorab selbst zu tra­gen hat.

 

Es gibt in Hongkong keine gesetzliche Vergü­tungsregelung für Anwälte, so dass Rechtsan­wälte ausschließlich auf Stundenbasis tätig wer­den. Eine „normale“ Zivilklage kann somit in Hongkong ca. 15.000 – 50.000 Euro kosten, grö­ßere Fälle kosten aber leicht Beträge jenseits der 100.000 Euro Schwelle. Zu beachten ist, dass der Gewinner einer Klage auch bei 100%igem Obsiegen nicht seine kompletten Kosten erstattet bekommt, sondern lediglich 60% – 75%. Dies wird damit begründet, dass an einem Streit immer zwei schuld seien, so dass auch der Gewinner seinen Teil zu tragen habe.

 

b) Gerichtskosten

Die Gerichtskosten sind recht gering und set­zen sich wie folgt zusammen:

 

 

Darüber hinaus können noch Kosten für Über­setzungen und andere Gebühren hinzu­kommen, die aber in der Regel überschaubar sind.

 

II. Vollstreckung

 

Sollte die unterliegende Partei die Erfüllung des Urteils ver­weigern, so stehen dem Gewinner fol­gen­de Möglichkeiten zu:

 

  • Eidesstattliche Versicherung über die Ver­mögenslage
  • Beschlagnahme des Vermögens
  • Abtretung von Forderungen ge­gen Dritte
  • Eintragung einer Hypothek oder ei­nes Pfand­rechts
  • Antrag, einen Vermögensver­walter ein­zu­stellen, der die Schul­den des Schuld­ners ord­net und abwickelt
  • Übergabe von Eigentum oder Doku­men­ten an das Gericht
  • Anweisung des Gerichts, dass der Gläubi­ger befugt ist, eine be­stimmte Hand­lung für den Schuldner vorzunehmen
  • Jede andere Möglichkeit, die dem Gericht angemessen er­scheint

 

Die meisten der oben genannte Möglichkeiten werden durch den Gerichtsvollzieher (Bailiff’s Of­fice) durchgeführt, ansonsten ist das Gericht zuständig.

 

III. Weitere Möglichkeiten zur Streit­beilegung

 

1. Arbitration

Neben einer Gerichtsverhandlung und der Pflicht zur Mediation besteht die Möglichkeit, sich einer außergerichtlichen Schiedsgerichts­bar­keit zu unterwerfen (Arbitration), was meist durch Parteivereinbarung in dem jeweiligen Ver­tragsdokument erfolgt. Die Rechtsgrund­lage hierzu bildet die Hong Kong Arbitration Or­dinance (Cap. 609). Grundsätzlich kann jede Form von Arbitration zwischen den Parteien ver­einbart werden, am Gängigsten ist aber die Hong Kong International Arbitration Commis­sion (HKIAC). Für Verträge mit chinesischen Parteien kann alternativ auch die China Inter­na­ti­onal Economic and Trade Arbitration Commission (CIETAC) mit Sitz entweder in Schanghai oder Peking vereinbart werden. Fer­ner steht es den Parteien frei, eine neutrale Schiedsordnung/einen neutralen Ort, zum Bei­spiel bei der International Cham­ber of Com­merce (ICC) in Paris festzulegen.2. Schlichtungsverfahren

 

Ein Schlichtungsverfahren bezeichnet den Ver­such einer unabhängigen dritten Person, die sich jeweils alleine mit einer der Parteien trifft, den Streit beizulegen. Diese Möglichkeit ist al­ler­dings eher wenig populär, da es keinen Zwang gibt, den Streit zu beenden. Sollten sich die Parteien nicht eini­gen, so muss trotzdem der ordentliche Rechts­weg eingeschlagen wer­den.

 

IV. Zusammenfassung

 

Wie Sie aus dem Vorangegangenen sehen,  kön­nen Rechte und Ansprüche in  Hongkong auf verschiedene Weise durchgesetzt werden. Den Schwerpunkt des Newsletters bildet die Rechts­ver­folgung durch ordentliche Gerichte, da diese Art der Durchsetzung die häufigste Form darstellt. Demgegenüber sollten jedoch al­ter­native Methoden der Streitbeilegung, ins­be­sondere die Mediation und die Schiedsge­richtsbarkeit, vor dem Betreiben eines Rechts­streits stets berücksichtigt werden, da das Hong­konger Rechtssystem einige schwerwie­gende Nachteile aufweist. So ist das Betreiben eines Rechtsstreits regelmäßig erst ab einem Streitwert von 100.000 Euro rentabel. Die we­sentlichen Nachteile des Hongkonger Rechts­systems sind:

 

  • Es ist sehr langsam.
  • Es ist teuer.
  • Die Kosten der obsiegenden Partei wer­den nicht vollständig durch die andere Partei getragen.
  • Das Solicitor / Barrister System führt zu einer erheblichen Doppelarbeit (ho­he Kosten) und ist veraltet.

 

Sollte Hongkong diese Nachteile nicht zeit­nah in Griff bekommen, dürfte die Sonderver­wal­tungszone in naher Zukunft von anderen asi­ati­schen Städten (wie zum Beispiel dem Erzri­valen Singapur) outperformt werden. Denn für die meisten Investoren ist neben einem hervor­ra­genden Finanz- und Wirt­schafts­stand­ort auch ein funktionstüchtiges und vor allem ef­fizientes sowie kostengünstiges Rechtssystem ausschlaggebend. Ferner droht auch mittler­weile Konkurrenz von Seiten der Volksrepu­blik China. So konnte diese in den letzten Jah­ren viele Missstände unter anderem durch den Er­lass neuer Gesetze und der Einstellung jun­ger und rechtstreuer Richter beheben. Vor die­sem Hintergrund erscheint es als nicht unwahr­scheinlich, dass viele Inves­toren zukünf­tig di­rekt in China und nicht mehr in Hongkong  in­vestieren, wo sie im Vergleich viel hö­here Miet- und Lohnkosten und ein veralte­tes Rechts­system erwartet.

 

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