Newsletter Nr. 148 (DE)

Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unter Unternehmern

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I. Einleitung

 

Seit dem Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts im Jahr 2002 sind die Vorschriften über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in den §§ 305 ff. BGB und nicht mehr im AGBG geregelt. Dabei wurden die Vorschriften jedoch weitestgehend unverändert übernommen. Zweck dieser Regelungen ist es, den Einzelnen beim Vertragsschluss vor der Übervorteilung durch den Vertragspartner zu schützen, der (zu seinem Vorteil) vorformulierte Vertragsbedingungen verwendet. Grundkonzeption war es dabei, den rechtsunkundigen Verbraucher vor massiv nachteiligen Vertragsbedingungen zu schützen. Inwieweit dieser Schutz daher auch im Geschäftsverkehr zwischen Kaufleuten nötig ist, ist in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Diskussionen gewesen.

 

II. Anwendbarkeit

 

Die Regelungen über AGB sind auf alle Verträge anwendbar, die deutschem Recht unterliegen. Die Anwendbarkeit deutschen Rechts richtet sich nach den Vorschriften der Rom-I-Verordnung[1]. Sofern die Parteien keine Rechtswahl getroffen haben (Art. 3 Rom-I-VO), richtet sich das anzuwendende Recht danach, zu welchem Mitgliedsstaat der Vertrag den engsten Anknüpfungspunkt hat (Art. 4 Rom-I-VO).

 

III. Ausgangssituation

 

Das Gesetz hat von den ersten Versionen des AGBG bis hin zu der nunmehr geltenden

Fassung eine Entwicklung genommen, die sich

immer stärker auf den Verbraucherschutz ausrichtet. Vom Regelungsbereich erfasst werden aber nicht nur Geschäfte bei denen Verbraucher beteiligt sind, sondern auch Geschäfte zwischen Unternehmern. Bei letzteren gelten die AGB-Regelungen allerdings nur eingeschränkt (vgl. § 310 I 1 BGB). Die §§ 305 II, III, 308 und 309 BGB finden keine Anwendung auf AGB, die gegenüber einem Unternehmer gestellt werden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass grundsätzlich die strengen formellen Anforderungen hinsichtlich der Möglichkeit der Kenntnisnahme entfallen und die sehr starren Verbote der Klauseln mit und ohne Wertungsmöglichkeiten nach §§ 308, 309 BGB nicht greifen.

 

Auch für Geschäfte zwischen Unternehmern gilt hingegen die Generalklausel des § 307 I S.1 BGB, wonach AGB dann unwirksam sind, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen.

 

1. Begriff der AGB

Dabei gilt es zunächst zu differenzieren, wann überhaupt AGB vorliegen und wann nicht. Das Gesetz definiert AGB in § 305 I S.1 BGB als „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss des Vertrages stellt“.

 

Auch wenn das Gesetz eindeutig von einer Vielzahl von Verträgen spricht, so ist doch anerkannt, dass diese Vielzahl bereits bei drei Verwendungen derselben AGB gegeben ist, wobei dann bereits die erste Verwendung unter die Kontrolle der AGB-Vorschriften fällt.

 

In einer negativen Abgrenzung bestimmt das Gesetz zudem in § 305 I S.3 BGB, dass dann keine AGB vorliegen, wenn die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt worden sind. Dabei ist auf einen wirklichen Prozess des Aushandelns zu achten, bei dem der Teil der Vorschrift, welcher von der gesetzlichen Regelung abweicht, ausdrücklich zur Disposition gestellt wird. In welcher Form die AGB dem Vertragspartner gestellt werden ist hingegen für ihre Eigenschaft als AGB unerheblich. Auf eine Ausformulierung in Form des klassischen „Kleingedruckten“ kommt es also nicht an.

 

2. Einbeziehung in den Vertrag

Wirklich Teil des Vertrages werden AGB jedoch nur dann, wenn zum einen die Möglichkeit zur Kenntnisnahme des Vertragspartners von den AGB überhaupt besteht und wenn zudem dieser mit deren Geltung einverstanden ist. Auf eine tatsächliche Kenntnisnahme des Vertragspartners kommt es nicht an; die bloße Möglichkeit ist ausreichend. Der Vertragspartner kann die Geltung von AGB folglich nicht vermeiden, indem er diese einfach ignoriert.

 

Jedoch werden vergleichsweise strenge Kriterien an die Möglichkeit der Kenntnisnahme angelegt. So muss ein ausdrücklicher Hinweis auf die AGB erfolgen und die AGB müssen für den Vertragspartner auch tatsächlich zur Kenntnis genommen werden können. Dabei ist auch ggf. auf eine offensichtliche Behinderung des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen.

 

3. AGB-Kontrolle

Sobald das Vorliegen von AGB bejaht werden kann, unterliegen diese der sog. AGB-Kontrolle nach §§ 307 ff. BGB. Diese sieht vor, dass der Inhalt der einzelnen AGB Klauseln einer Überprüfung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben standhalten muss, anderenfalls ist die AGB Klausel unwirksam. Dabei normieren die §§ 308 bzw. 309 BGB einzelne Abweichungen von der gesetzlichen Norm, die unter Umständen, oder aber im Fall des § 309 BGB auch immer, gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen. Darunter fallen insbesondere Abweichungen aus dem Bereich der Haftung, der Verjährungsverkürzung und der Einschränkung des Rechts auf Nacherfüllung.

 

Wird gegen eine solche Vorschrift verstoßen, so gilt das sog. „Verbot der geltungserhaltenden Reduktion“. Dieses besagt, dass bei Verstoßes einer Klausel gegen die gesetzlichen Regelungen der §§ 308, 309 BGB, die Klausel nicht etwa auf das im Rahmen der AGB-Kontrolle zulässige Maß reduziert wird, sondern stattdessen auf den gesetzlichen Normalfall zurückgegriffen wird. Wird z.B. eine Verkürzung der Verjährungsfrist für Ansprüche wegen eines Mangels an einer beweglichen Kaufsache auf sechs Monate vorgenommen, so stellt dies einen Verstoß gegen § 309 Nr.8 b) ff) BGB dar, der eine maximale Verkürzung der Verjährungsfrist auf ein Jahr erlaubt. Die Folge dieses Verstoßes ist jedoch nicht, dass nunmehr die maximal zulässige Mindestfrist von einem Jahr gilt, sondern die gesetzliche Normalfrist von zwei Jahren

 

IV. Eingeschränkte Geltung unter Unternehmern

 

Diese am Verbraucherschutz orientierte Konzeption erfährt zunächst eine Einschränkung in § 310 I BGB, wenn die AGB gegenüber einem Unternehmer verwendet werden. Demnach finden die Vorschriften von § 305 II und III BGB in diesem Fall keine Anwendung. Dies bedeutet, dass die vergleichsweise strengen Anforderungen an die Kenntnisnahme entfallen, wenn der Vertragspartner dem gegenüber die AGB gestellt werden, ein Unternehmer i.S.d. § 14 BGB ist.

Ebenfalls finden die Klauselverbote mit und ohne Wertungsmöglichkeit der §§ 308, 309 BGB in einem solchen Fall keine Anwendung. Die sonst sehr strengen Vorschriften besonders im Bereich des § 309 BGB sind damit auf den ersten Blick unbeachtlich, weswegen man leichtfertig von einer wesentlich größeren Vertragsfreiheit unter Unternehmern ausgehen könnte.

 

Diese vermeintliche Vertragsfreiheit wird jedoch wiederum durch die Generalklausel des § 307 I S.1 BGB eingeschränkt. Die Regelung des § 307 I S.1 BGB, die auch bei der Anwendung von AGB zwischen Unternehmern uneingeschränkt gilt, bedarf der Auslegung, da sie den unbestimmten Rechtsbegriff der unangemessenen Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben enthält.

 

Zur Interpretation dieses Begriffes zieht dabei die Rechtsprechung unter anderem den Katalog der §§ 308, 309 BGB heran.  So wird zum Beispiel ein Aufrechnungsverbot, welches gegenüber Verbrauchern nach
§ 309 Nr.3 BGB unwirksam ist, auch unter Unternehmern über § 307 I S.1 BGB im gleichen Umfang verboten.[1]

 

Auf diese Weise werden die eigentlich durch
§ 310 I BGB ausgeschlossenen Klauseln der
§§ 308, 309 BGB unter Wertungsgesichtspunkten wieder angewendet. Dabei misst die Rechtsprechung den §§ 308, 309 BGB eine starke Indizwirkung zu, mit der Folge, dass bei einem Verstoß gegen diese eigentlich von Gesetzes wegen unbeachtlichen Vorschriften davon ausgegangen wird, dass in einem solchen Fall eine unangemessene Benachteiligung vorliegt. Dabei bleibt die Rechtsprechung nach wie vor stark am Einzelfall orientiert, da § 307 I BGB einen unbestimmten Rechtsbegriff enthält und auch die Vorschriften der §§ 308, 309 BGB einigen Spielraum für Interpretationen bieten (vgl. nur
§ 309 Nr.8 b) dd) „unverhältnismäßig  hoher Teil des Entgelts“).

 

Rechtsfolge einer solchen unwirksamen Klausel ist auch hier die Geltung der gesetzlichen Vorschriften; eine sog. „geltungserhaltende Reduktion“ findet folglich ebenfalls nicht statt.

Für den Verwender von AGB resultiert dies in einer beträchtlichen Unsicherheit, welche Klauseln seiner AGB wirksam sind und welche nicht. Zudem stellt sich für den Verwender die Frage, wie er unwirksame AGB-Klauseln rechtssicher vermeiden kann. Gleichzeitig besteht auch für den Vertragspartner, dem gegenüber AGB gestellt werden, Unsicherheit darüber, welche AGB er noch akzeptieren muss und welche ihn bereits unangemessen benachteiligen.

 

V. Praktische Auswirkungen

 

Diese Interpretation des bewusst offen gehaltenen § 307 I S.1 BGB im Lichte einiger Verbote der §§ 308, 309 BGB schafft für beide Vertragsparteien eine nicht unwesentliche Rechtsunsicherheit. Diese kann die einzelne Vertragspartei allerdings durchaus zu ihrem Vorteil nutzen.

 

1. Für den Verwender

Will man die Rechtsunsicherheit als Verwender von AGB verhindern, so empfiehlt es sich zunächst, überhaupt die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB auszuschließen. Dies kann darüber erreicht werden, dass die entsprechenden Vertragsbedingungen nicht einseitig von einer Seite gestellt werden, sondern zwischen den Parteien ausgehandelt werden. In einem solchen Fall greift die AGB-Kontrolle nicht (§ 305 I S.3 BGB). Wie aber bereits oben geschildert sind dabei an den Prozess des Aushandelns vergleichsweise hohe Anforderungen zu stellen. Ein bloßer Verweis oder eine kurze Begründung, warum man eine Abweichung vom gesetzlichen Regelfall bevorzugt, genügen in jedem Fall nicht.

 

Darüber hinaus besteht bezüglich des eigentlichen Kerninhalts des Vertrages, also der Hauptleistungspflichten, Sicherheit. Denn für diese findet eine AGB-Kontrolle nicht statt (§ 307 III BGB).

 

Davon abgesehen empfiehlt es sich, sich bei der Ausarbeitung von AGB für Verträge zwischen Unternehmern an den Wertungen der §§ 308, 309 BGB zu orientieren. Endgültige Rechtssicherheit lässt sich in dieser Frage allerdings nicht erreichen, da im Bereich des § 307 I BGB die Entscheidung über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit einer Klausel immer vom unbestimmten Rechtsbegriff der unangemessenen Benachteiligung abhängt, der naturgemäß in jedem Einzelfall anders behandelt wird.

 

Die Geltung von AGB unter Unternehmern bleibt damit eine schwierige Frage, die in jedem Fall einer individuellen Betrachtung und Wertung bedarf, die nicht ohne fachkundige Unterstützung vorgenommen werden sollte.

 

2. Für den Vertragspartner: AGB-Falle

Die oben beschriebene Unsicherheit kann der rechtskundige Vertragspartner, dem gegenüber die AGB gestellt wird, jedoch auch zu seinen Gunsten nutzen. Stellt er fest, dass die Gegenseite AGB verwendet, die entweder in direkter Anwendung oder in der Interpretation nach § 307 I BGB gegen die Verbote der §§ 308, 309 BGB verstoßen, so kann er durch bewusstes Vermeiden von Verhandlungen über die entsprechende Klausel erreichen, dass für diese die AGB-Kontrolle anwendbar ist. Dieses taktische Manöver wird auch als AGB-Falle bezeichnet. Es resultiert in dem Umstand, dass im Zweifelsfall ein Gericht die entsprechende Klausel für unwirksam erklären wird, der Vertragspartner sich also nicht darauf berufen kann. Aufgrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion folgt daraus, dass für den Vertragspartner, der explizit eine Klausel nicht verhandelt, der gesetzliche Normalfall gilt, welcher in der Regel wesentlich günstiger ist als der in den AGB festgeschriebene Fall.

 

Auf diese Weise wird es dem Vertragspartner ermöglicht, aus der Indizwirkung der
§§ 308, 309 BGB einen eigenen Vorteil abzuleiten. Voraussetzung dafür ist allerdings eine sehr genaue Kenntnis des Gesetzes und der Rechtsprechung, da man sich durch das Nichtverhandeln ansonsten möglicherweise einer ausgesprochen unvorteilhaften AGB-Klausel unterwirft, die dann (gerade noch) wirksam ist. Eine genaue Kontrolle der AGB und deren Überprüfung anhand des Gesetzes sowie der einschlägigen Rechtsprechung durch einen Fachmann sollte daher immer dem Vertragsabschluss vorausgehen.

 

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