Newsletter Nr. 222 (DE)

Die unfreiwillige, aber steuerpflichtige Betriebsstätte im Ausland – Leitfaden zur Vermeidung

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I.  Einleitung

 

Plant ein Unternehmen im Ausland aktiv zu werden oder zu expandieren und dabei eventuell einen neuen Standort zu gründen, stellt sich die Frage, wie die neue Niederlassung rechtlich in die Unternehmensorganisation eingeordnet und organisiert werden kann. Mit der Gründung einer Niederlassung oder auch nur mit einer zeitlich begrenzten Auslandsbetätigung des Stammhauses verbunden sind steuerrechtliche Fragen, die je nach Unternehmensgestaltung, konkreter Betätigung und tatsächlicher Dauer erheblich sind. Mögliche organisatorische Formen der Auslandsaktivität sind Direktgeschäfte, die Gründung einer Tochterkapitalgesellschaft oder einer Tochterpersonengesellschaft, die Gründung eines Repräsentanzbüros sowie die nachfolgend behandelte Betriebsstätte.

Steuerrechtliche Probleme entstehen insbesondere dann, wenn das Stammunternehmen in einem ausländischen Staat unter Umständen unfreiwillig einen Sachverhalt realisiert, der als steuerpflichtige Betriebsstätte zu qualifizieren ist. Grundsätzlich sind die Unternehmensgewinne gänzlich dort zu versteuern, wo das Unternehmen seinen Sitz hat (Sitzstaat), selbst wenn das Unternehmen international tätig wird. Von diesen steuerrechtlichen Grundsätzen wird aber bei Vorliegen einer Betriebsstätte im Ausland eine Ausnahme gemacht: In diesem Fall steht dem Staat, in dem die Betriebsstätte ansässig ist (Betriebsstättenstaat/Quellenstaat), das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Betriebsstättengewinns zu. Die Existenz einer Betriebsstätte entscheidet demnach über die Aufteilung der Gewinne zwischen Sitz- bzw. Quellenstaat und kann somit für die Steuerlast eines Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein. Diese kurze Übersicht dient als Leitfaden, welche Art von Tätigkeiten im Ausland erfolgen können, ohne eine (unfreiwillige) Besteuerung auszulösen.

 

II.  Nationale Regelungen und Doppelbesteuerungsabkommen

 

Im Allgemeinen existiert in fast allen Ländern, einschließlich Deutschland, China, Hongkong und Vietnam eine nationale Regelung zur Besteuerung von Betriebsstätten, d.h. am Ort der (faktischen) Geschäftsleitung bzw. der geschäftlichen Oberleitung. Dies ist immer der Ort, wo sich in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle eines Unternehmens befindet, an der über eine gewisse Zeit hinweg die für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet und durchgeführt werden. Die Gewinne, die in diesem Land im Zusammenhang mit der dortigen Geschäftsführung erzielt werden, sind dort auch entsprechend zu versteuern.

Dabei gilt die Regel „substance over form“. Maßgeblich sind hiernach die tatsächlichen Verhältnisse, also wo die Geschäfte eines Unternehmens wirklich geführt werden und nicht die vertraglichen Vereinbarungen.

Ergibt sich aufgrund der nationalen Steuergesetzgebungen ein Konflikt, d.h. zwei Länder gehen jeweils von einem Besteuerungsrecht aufgrund einer Betriebsstätte in ihrem eigenen Land aus, greift man – soweit vorhanden – auf ein Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) zurück, um das Besteuerungsrecht einem Land zuweisen zu können.

DBA werden regelmäßig nach einem von der OECD entwickelten Muster (auch OECD-MA) abgeschlossen. Dementsprechend ist meist in Art. 5 eines DBA geregelt, wann eine steuerpflichtige Betriebsstätte in einem Vertragsstaat vorliegt.

 

III.  Die Kriterien im Überblick

 

Die Kriterien für eine Betriebsstätte im nationalen Recht bzw. im Sinne eines DBA können im Detail unterschiedlich sein, lassen aber folgende allgemeine Leitlinien erkennen:

 

  • Wenn die Geschäftstätigkeit des Unternehmens aus Land A in Land B (durchgeführt von seinen Geschäftsführern/Direktoren oder Mitarbeitern) einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Land B ausmacht, ist von einer Betriebsstätte auszugehen.

 

Dazu gehören

  • die Festlegung und Durchsetzung der Unternehmensrichtlinien,
  • die Organisation des (gesamten) Unternehmens,
  • Einstellung von Personal,
  • Festlegung der Höhe der Gehälter,
  • Strukturierung von Geschäftsbeziehungen mit Vertragspartnern,
  • Verhandlungen mit den Kreditgebern und sonstigen Vertragspartnern,
  • Entscheidungen in Steuerfragen, Buchhaltungskontrolle etc.

 

  • Eine Betriebsstätte wird auch angenommen, wenn Management oder Mitarbeiter eines Unternehmens in Land A die Geschäftstätigkeit in Land B weitestgehend unabhängig betreiben, d.h. sie führen die Geschäfte des Unternehmens in Land B ohne wesentliche Unterstützung der lokalen Mitarbeiter.

 

  • Der Faktor, der die Lokalisierung der Gewinne aus dem Handel mit Waren und Erzeugnissen zum größten Teil mitbestimmt und eine Betriebsstätte auslöst, ist in der Regel der Ort, an dem die Kauf- und Verkaufsverträge abgeschlossen werden. „Abgeschlossen“ bedeutet nicht nur, dass die Verträge rechtsgültig unterschrieben werden. Der Begriff umfasst auch die Verhandlung, den Abschluss und die Ausführung auch nur einiger Bestimmungen der Verträge. Die gilt auch unabhängig davon, ob die jeweiligen Mitarbeiter befugt sind, Verträge im Namen des Unternehmens zu unterzeichnen oder nicht.

 

  • Immer größerer Bedeutung wird in Zukunft auch dem Ort der Wertschöpfung eines Unternehmens beigemessen. Die wertschöpfungsorientierte Besteuerung von multinationalen Unternehmen ist Ausfluss des BEPS-Projekts („Base Erosion and Profit Shifting“) der OECD („Organisation for Economic Co-operation and Development“), um eine gerechtere, weltweite Steuerverteilung zu erreichen. Demnach soll dort besteuert werden, wo der wirtschaftliche Mehrwert eines Unternehmens geschaffen wird.

Dies kann u.a. durch „significant people functions”, also wesentlichen Personalfunktionen erfolgen. Dort, wo die federführenden oder vertretungsberechtigten Verantwortlichen eines Unternehmens (CEO, Direktoren, Geschäftsführer, Prokuristen etc.) agieren, wird im Grundsatz auch ein Großteil des Mehrwerts eines Unternehmens geschaffen.

Häufige Entsendungen bzw. das Privileg der örtlichen Flexibilität von Führungspersonen hinsichtlich ihres Arbeitsortes, sind streng zu prüfen und steuerlich vorsichtig zu gestalten.

Eine Betriebsstätte wird hingegen nach allgemeiner Sicht nicht begründet, wenn die Tätigkeit im anderen Land ausschließlich aus Hilfs- oder Vorbereitungsaktivitäten besteht, wie z.B.

 

  • Lagerhaltung (ggf. problematisch),
  • Ausstellungen,
  • Informationsbeschaffung,
  • Hilfe bei der Errichtung eines Büros,
  • Reparatur von Maschinen,
  • technischer Support, etc.

 

IV.  Fazit

 

Festzuhalten ist, dass das Vorliegen einer Betriebsstätte von einer Gesamtschau aller relevanten Umstände abhängt und von Fall zu Fall unterschiedlich festgelegt oder bewertet werden kann.

Zudem sind die jeweiligen nationalen Regelungen sowie Doppelbesteuerungsabkommen im Blick zu behalten und auszuwerten.

Für multinationale Unternehmen ist es wichtig zu prüfen, welche Rechte und Pflichten in den jeweiligen Arbeitsverträgen vereinbart sind und welche Tätigkeiten tatsächlich in den jeweiligen Ländern ausgeführt werden, um einen Überblick über die verschiedenen Funktionen der Mitarbeiter zu behalten.

Besonders zu beachten ist dabei, ob Führungspersonen wesentliche Teile der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens in einem anderen Land weitestgehend unabhängig ausführen.

Aber auch einfache Mitarbeiter, die wichtige Aufgaben wahrnehmen (die unter Umständen vertraglich nicht festgelegt sind) können das Vorliegen einer Betriebsstätte auslösen.

Es bedarf folglich einer genauen Planung, um eine unfreiwillige Besteuerung in den jeweiligen Ländern zu vermeiden.

 

 

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