Newsletter Nr. 144 (DE)

Eigentumsvorbehalt in Hongkong

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I. Einführung

 

Dieser Newsletter behandelt das Thema, ob ein Verkäufer nach Hongkonger Recht vom Käufer die Rückgabe der ver­kauf­ten und übergebenen Kaufsache verlan­gen kann, wenn der Käufer nicht  den (vollen) Kaufpreis be­zahlt. Außer­dem wird auf die Frage einge­gangen, was geschieht, wenn der Käufer die Kauf­sache bereits an einen Dritten ver­äu­ßert oder sie verarbeitet hat.

 

Grundsätzlich ist der Verkäufer nicht be­rechtigt, die Herausgabe der verkauf­ten und übereigneten Ware zu verlan­gen, soweit das Eigentum bereits auf den Käufer übertragen wurde. Da die Übereignung schon vor Zah­lung des (vol­len) Kaufpreises erfolgen kann, läuft der Verkäufer Gefahr, das Eigentum an der Sache zu verlieren, ohne den Kauf­preis für die Ware erhalten zu haben. Dies kann durch die Verein­barung eines Ei­gentumsvorbe­halts im Kaufvertrag ver­hindert werden. Sol­che Klauseln nennt man „Eigentums­vor­behaltsklau­sel“ („Reten­tion of Title“ oder „Reser­va­tion of Title“).

 

We­gen der weiter unten erwähnten Ent­schei­dung Alumi­nium Industrie Vaassen BC v. Ro­malpa Alumi­nium Ltd. [1976] 1 WLR 676 wird sie im englischen Rechts­kreis auch als „Romalpa-Klau­sel“ be­zeichnet.

 

II. Allgemeines zur Eigentums­vor­behaltsklausel

 

1. Sinn und Zweck

In erster Linie hat die Eigentumsvorbe­haltsklausel den Zweck, den Anspruch des Verkäufers auf Kaufpreiszahlung oder auf Rückgabe zu sichern. Aller­dings sind sol­che Klauseln nur be­grenzt von Nutzen. Gegen ei­nen zahlungs­unwilli­gen Käufer ist der Verkäufer ge­zwungen, Klage auf Rückgabe zu erhe­ben. Der Verkäufer kann gleichzeitig Scha­denser­satz verlan­gen. Diese beiden Ansprüche sind in Hongkong gleich stark, da Hongkong eine Jurisdiktion mit Common Law ist, in dem der Anspruch aus Eigentum nicht stärker als ein Scha­densersatzan­spruch ist.

 

Von praktischer Bedeutung ist der Ei­gen­tumsvor­behalt  hauptsäch­lich im Fal­le der Insolvenz des Käufers. Wenn kein Eigentumsvorbe­halt vereinbart ist, ge­hört die ver­kaufte und ge­lieferte Ware zur Insol­venzmasse. Der Verkäufer kann die Rückzahlung des Kauf­preises zwar verlangen, wird diesen aber in der Regel nicht in vol­ler Höhe erhalten, da er nur aus der Insolvenzmasse mit sei­ner entspre­chenden Quote befriedigt wird. Oftmals geht er komplett leer aus. Der Eigentums­vorbehalt kann hinge­gen sicher­stellen, dass das Eigentum der Wa­re nicht auf den Käufer übergeht und die Ware aus der Insol­venzmasse ausge­son­dert wird, sodass ein Aussonde­rungs- und Rückgabeanspruch besteht.

 

2. Allgemeine Regeln zum Eigen­tumsübergang

Das Recht zum Besitz und Eigentum und dessen Übertragung wird in Hong­kong in der am 01. August 1896 (!)  in Kraft ge­tre­tenen Sale of Goods Ordi­nance (SGO) ge­setzlich geregelt.

 

Section 19 SGO be­trifft speziell identifi­zierbare Waren, z.B. mit Serien­nummern gekennzeichnete Anlagen oder andere Ein­zelwaren. Beim Verkauf solcher geht das Eigentum gem. Section 19 (1) SGO zu einem vereinbarten Zeit­punkt über. Dieser kann sich sowohl aus einer  aus­drücklichen Vereinbarung als auch aus konklu­dentem Verhalten ergeben (Sec­tion 19 (2) SGO). Hierbei sind sämtliche Um­stände des Einzelfalles zu berück­sichti­gen.

 

Gibt es keine ausdrückliche oder offen­sichtliche Einigung, wird der Eigentum­s­über­gang gem. Section 20 (1) SGO in ver­schiede­nen Fallkonstellatio­nen ver­mu­tet. So wird unabhängig davon, ob der Kauf­preis schon be­zahlt oder die Ware übergeben wurde, vermutet, dass das Eigentum bereits  zum Zeitpunkt des Vertrag­schlusses übertragen wurde, wenn die spezifi­sche Ware lieferbar ist. Demgegenüber ist jedoch die individu­elle Parteivereinbarung vorrangig. Von daher ist wichtig, dass der Eigentums­vorbehalt bereits in dem Kaufvertrag selbst oder zumindest spätestens vor Übergabe der Ware vereinbart wird, da sonst das Eigentum bereits als überge­gangen gilt und ein Eigentumsvorbehalt nicht mehr wirksam vereinbart werden kann.

 

Wenn die Ware nicht speziell identifi­zier­bar ist, z.B. ungeerntete Feld­früchte oder Handelsware im Groß­lager, geht das Eigentum erst über, wenn die Ware versandfertig und für die Vertragser­füllung bereitgestellt ist (Secti­ons 18 – 20 SGO).

 

Falls der Verkäufer die Ware an den Käu­fer oder einen Spediteur übergibt, ohne eine Eigentumsvorbehaltsklau­sel ver­einbart zu haben, wird gem. Section 20 (1) SGO vermutet, dass das Eigen­tum zu die­sem Zeitpunkt (Übergabe an den Käufer bzw. Spediteur) übergehen soll.

 

Beim Versendungskauf wird vermutet, dass der Verkäufer das Eigentum bis zur vollständigen Bezahlung des Kauf­preises behält, wenn die Ware durch Frachtbrief des Verkäufers versendet wird (Section 21 (2) SGO).

 

Auf dem entsprechenden Frachtbrief bzw. in den allgemeinen Geschäftsbe­din­gungen (terms of conditi­ons) wird dabei zumeist folgende Klausel aufge­nommen:

 

Der Verkäufer behält sich das Eigen­tum bis zur vollständigen Kaufpreiszah­lung vor.

 

FORMULIERUNG  im Englischen etwa:

 

“The seller retains title and all proprie­tary rights in the goods until full pay­ment is received.” 

 

3. Essentielle Merkmale des Eigen­tumsvorbehalts

Der einfache Eigentumsvorbehalt gibt dem Verkäufer das Recht, vor der voll­ständigen Bezahlung die Rück­gabe der Ware zu fordern. Diese Klausel kann da­hingehend erweitert werden, dass der Käu­fer nicht nur den Kaufpreis, son­dern alle Ver­bindlichkeiten zu bezahlen hat.

 

Um eine Eigentumsvorbehaltsklausel wirk­sam zu vereinbaren, muss im Kauf­vertrag klar und eindeutig vereinbart wer­den, dass der Verkäufer das Eigen­tum bis zu einem bestimmten Zeitpunkt behält. Zum Beispiel ist der Wortlaut C.O.D. (cash on delivery) ausreichend, aber nicht notwendig. Es kommt auf die kon­kreten Umstände und das Verhalten der Parteien im Einzelfall an.

 

Ein typisches Beispiel für eine klare Ei­gentumsvorbehaltsklausel findet sich im Fall Aluminium In­dustrie Vaassen BC v. Ro­malpa Alumi­nium Ltd. [1976] 1 WLR 676. In diesem Fall handelte es sich um den Verkauf von Aluminiumfolie. Der Käu­fer behielt nach Lieferung einen Teil der Aluminiumfolie und verkaufte den Rest an einen Dritten. Der Erlös aus dem Wei­terverkauf durch den Käufer wurde auf ein separates Konto überwiesen. Nach Art. 13 des Vertrages soll „das Ei­gentum am Mate­rial erst nach Beglei­chung aller Verbind­lichkeiten (unabhän­gig vom Rechts­grund) auf den Käufer übergehen“. Der Vertrag enthielt noch fol­gende Regelun­gen:

 

  • Der Käufer war verpflichtet, das Material als Eigentum des Ver­käu­fers (praktisch als Treuhän­der) gesondert aufzube­wahren.
  • Der Käufer hatte das unbezahlte Material treuhänderisch in Be­sitz zu nehmen (Pflichten des Treu­händers), konnte aber im lau­fen­den Geschäft die Ware an ei­nem Dritten verkaufen.

 

Nun wurde der Käufer zahlungsunfähig. Das englische Berufungsgericht war der Ansicht, dass der Verkäufer noch Eigen­tümer an der Ware sei und der Käufer mit dem Erlös aus dem Weiter­verkauf die Kaufpreisschuld zu beglei­chen habe.

 

In dieser „Romalpa-Entschei­dung“ kommt die Wichtigkeit einer kla­ren und eindeutigen Eigentumsvorbehalts­klausel zum Aus­druck. Der Käufer hatte die un­be­zahlte Ware separat aufzubewahren und im Inte­resse des Verkäufers zu be­han­deln.

 

Es ist zu beachten, dass ein Dritter auch dann Eigentümer wird, wenn er die Wa­re von einem Nichtberechtigten er­wirbt (gutgläubiger Erwerb). Nach Sec­tion 25 kann der Dritte  das Eigen­tum gut­gläubig erwerben, auch wenn der Käu­fer nicht expli­zit zum Wei­terver­kauf er­mäch­tigt ist. Das ist eine Aus­nahme von dem Grundsatz, dass nie­mand mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat („nemo dat quod non ha­bet“).

 

III. Ware zur Produktion und Verarbeitung (erweiterter Ei­gentumsvorbehalt)

 

Falls die Ware im Produktionspro­zess eingesetzt und weiterverarbeitet wird, ist die Rechtslage wie folgt:

 

In der Entscheidung Borden (U. K.) Lim­ited v. Scottish Timber Products Ltd. [1981] 1 Ch. 25 produzierte der Käufer aus dem vom Verkäufer gelieferten Harz zusam­men mit Härtemittel, Wachs und Spänen Spanplatten. Im Kaufvertrag war eine ein­fache Eigentumsvorbehaltsklau­sel ent­halten. Das englische Berufungsge­richt hielt die Vereinbarung für unwirk­sam, weil die ursprüngliche Ware nach der Produktion nicht mehr identifi­zier­bar und damit nicht mehr existent sei.

 

In einem anderen Fall hat das Gericht entschieden, dass die einfache Eigen­tums­vorbehaltsklausel im Viehhan­del nicht auf Schlachtkörper und Fleisch­produkte erweitert werden könne (Chai­gley Farms Ltd. v. Crawford Kaze & Grayshire Ltd. [1996] BCC 957).

 

Es gibt auch Fälle, in denen der Verkäu­fer versucht hat, in dem Kaufvertrag ei­ne erweiterte Eigentumsvorbehaltskla­u­sel (Verarbei­tungsklausel) einzufü­gen, um das Eigen­tum am Fertigprodukt zu erhalten:

 

  • Leder für Handtaschen, gelie­fert an den Produzenten der Ta­schen (Re Peach­dart Ltd. [1984] 131).
  • Garn zum Weben (Clough Mill Ltd. v. Martin [1985] 1 WLR 111) von Kleidern.

 

In den genannten Fällen war vertraglich vereinbart, dass der Verkäufer Eigentü­mer des Fertigprodukts wird, wenn vor der vollständigen Bezahlung des Kauf­prei­ses die verkaufte Ware weiterverar­bei­tet wird. Eine solche Klau­sel kann durch das Gericht aner­kannt werden, wenn sie eindeutig formu­liert ist. Aller­dings ist auf den jewei­ligen Einzelfall abzustellen.  Ist eine Klausel zu unbe­stimmt wird sie als zu nachteilig für den Käufer angesehen, so­dass sich Ungenau­igkeiten grundsätz­lich zu Lasten des Verkäufers auswirken und die Klausel unwirksam ist.

 

IV. Voraussetzungen für die Be­stellung eines Pfandrechts

 

Nach Section 333 ff Companies Ordi­nance (CO) (Chapter 622)  kann ein Pfand­recht am Ge­sellschaftsvermögen (Maschi­nen, etc.) zur Sicherung ei­ner For­derung gegen die Gesellschaft ein­getra­gen werden. Solch ein Pfand­recht wird aber erst mit der Ein­tragung ins Han­delsregister (Com­pa­nies Registry) wirksam. Im Fall einer In­solvenz wird die mit einem Pfandrecht ge­sicherte Forde­rung vorrangig gegen­über ande­ren Forderungen befriedigt. Al­lerdings kann es zu einer Kollision des Pfand­rechts mit dem Eigentumsvorbe­halt kom­men, wenn die Ware unter Ei­gentums­vorbe­halt geliefert wird und nach Übergabe aber noch vor Zahlung des Kaufpreises ein Dritter an der Ware ein Pfandrecht er­hält.

 

Im Fall Clough Mill hat das Gericht ent­schieden, dass das Eigentum nach der ein­fachen Eigentumsvorbehaltsklausel vor der vollständigen Bezahlung des Kauf­preises nicht auf den Käufer über­gehe. Weil die Ware nie zum Eigentum des Käufers gehörte, kann hieran somit auch kein Pfandrecht entstehen, so dass der Eigentumsvorbehalt vorgehe.

 

In der Entscheidung Armour v. Thyssen Edelstahl AG [1991] 2 AC 339 ist der oben genannte Grundsatz auch auf den Klau­selzusatz „sämtliche Verbindlich­kei­ten“ erweitert worden (er­weiterter Eigen­tumsvorbehalt). Dabei hat das englische House of Lords ent­schieden, dass die Kaufsa­che nicht zum Eigentum des Käufers gehört, wenn zwar der Kauf­preis vollständig bezahlt ist, aber an­dere Ver­bindlichkeiten noch nicht be­gli­chen sind. Es ist damit kein Pfand­recht an diesem Gegenstand entstan­den. Das Hongkonger Gericht ver­wies auf die der Section 21 SGO ent­sprechende Vor­schrift in England und stellte fest, dass nicht nur die Zah­lung des Kauf­preises als Bedingung für ei­nen Eigen­tumsübergang ausschlagge­bend sein kann, son­dern auch wei­tere For­derungen In­halt eines Eigentumsvor­behalts sein kön­nen.

 

Wenn im Kaufvertrag eindeutig geregelt ist, dass der Verkäufer Eigentum an dem Fertigprodukt erwirbt, so wird er mit Her­stellung des fertigen Produktes auto­matisch Eigentümer dessen. Da die Kauf­sache vor der vollständigen Bezah­lung nicht Eigentum des Käufers wird, kann hieran zu Gunsten von Gläubigern des Käufers kein eintra­gungsfähiges Pfand­recht entstehen. Auch ist es sinn­voll im Kaufvertrag zu vereinbaren, dass der Erlös aus dem Weiterverkauf auf ein se­parates Konto des Käufers gezahlt wird, welches dieser treuhänderisch für den Verkäufer verwaltet und später an die­sen auszahlt, um eine klare Tren­nung des Vermögens zu haben.

 

V. Zusammenfassung

 

Im Kaufvertrag sollte klar geregelt wer­den, wann das Eigentum auf den Käufer übergeht. Der Verkäufer kann durch ei­ne einfache Eigentumsvorbehalts­klau­sel nach Sec­tion 21 SGO das Eigentum an der Kaufsa­che bis zur vollständigen Zah­lung be­halten. Allerdings schützt ei­ne ein­fache Eigentumsvorbehaltsklau­sel den Verkäufer nicht, wenn der Käu­fer die Sache vor vollständiger Zahlung (un­berechtigt) weiter veräußert und ein Dritter gutgläubig Eigentum erwirbt.

 

Wenn die Kaufsache weiter veräußert oder in den Produktionsprozess einge­führt (weiterverarbeitet) wurde, ist zu be­achten, dass die Eigentumsvorbe­halts­klau­sel auch für die weiterverarbei­tete Sa­che (erweiterter Eigentumsvorbehalt) gilt. Bei diesen Klauseln ist sorgfältig da­r­auf zu achten, dass diese Klauseln wirk­sam sind und sich wirklich auf das ver­arbeitete Pro­dukt erstrecken, da es an­sonsten zu ei­ner Kollision mit einem eingetragenen Pfandrecht kommen kann und das Pfand­recht dann dem Eigen­tums­vorbe­halt vorgeht.

 

 

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