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I. Einleitung
Plant ein Unternehmen im Ausland aktiv zu werden oder zu expandieren und dabei eventuell einen neuen Standort zu gründen, stellt sich die Frage, wie die neue Niederlassung rechtlich organisiert und in die Unternehmensorganisation eingeordnet werden kann. Mit der Gründung einer Niederlassung oder auch nur mit einer zeitlich begrenzten Auslandsbetätigung des Stammhauses sind steuerrechtliche Fragen verbunden, die je nach Unternehmensgestaltung, konkreter Betätigung und tatsächlicher Dauer erheblich sind. Mögliche organisatorische Formen der Auslandsaktivität sind Direktgeschäfte, die Gründung einer Tochterkapitalgesellschaft oder einer Tochterpersonengesellschaft, die Gründung eines Repräsentanzbüros sowie die nachfolgend behandelte Betriebsstätte.
Steuerrechtliche Probleme entstehen insbesondere dann, wenn das Stammunternehmen im Ausland unter Umständen unfreiwillig einen Sachverhalt realisiert, der als steuerpflichtige Betriebsstätte zu qualifizieren ist. Grundsätzlich sind die Unternehmensgewinne gänzlich dort zu versteuern, wo das Unternehmen seinen Sitz hat (Sitzstaat), selbst wenn das Unternehmen international tätig wird. Von diesen steuerrechtlichen Grundsätzen wird aber bei Vorliegen einer Betriebsstätte im Ausland eine Ausnahme gemacht: In diesem Fall steht dem Staat, in dem die Betriebsstätte ansässig ist (Betriebsstättenstaat/ Quellenstaat), das Besteuerungsrecht hinsichtlich des Betriebsstättengewinns zu. Die Existenz einer Betriebsstätte entscheidet demnach über die Aufteilung der Gewinne zwischen Sitz- bzw. Quellenstaat und kann somit für die Steuerlast eines Unternehmens von erheblicher Bedeutung sein. Diese kurze Übersicht dient als Leitfaden, welche Art von Tätigkeiten im Ausland zu vermeiden sind, um keine (unfreiwillige) ausländische Besteuerung auszulösen.
II. Nationale Regelungen und Doppelbesteuerungsabkommen
Im Allgemeinen existiert in fast allen Ländern, einschließlich Deutschland, China, Hongkong und Vietnam eine nationale Regelung zur Besteuerung von Betriebsstätten am Ort der (faktischen) Geschäftsleitung bzw. der geschäftlichen Oberleitung. Der Ort der geschäftlichen Oberleitung befindet sich dort, wo sich in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht die wichtigste Stelle eines Unternehmens befindet, an der über eine gewisse Zeit hinweg die für die laufende Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einiger Wichtigkeit angeordnet und durchgeführt werden. Die Gewinne, die in diesem Land im Zusammenhang mit der dortigen Geschäftsführung erzielt werden, sind dort auch entsprechend zu versteuern. Eine Betriebstätte entsteht an diesem Ort regelmäßig ab dem ersten Tag der Ausübung der Tätigkeit, wenn nicht der effektive Schutz eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) besteht.
Dabei gilt die Regel „substance over form“. Maßgeblich sind hiernach die tatsächlichen Verhältnisse, also wo die Geschäfte eines Unternehmens wirklich geführt werden und nicht die vertraglichen Vereinbarungen oder das rechtlich zwischen den Parteien gewollte.
Ergibt sich aufgrund der nationalen Steuergesetzgebungen ein Konflikt, d.h. zwei Länder gehen jeweils von einem Besteuerungsrecht aus, greift man – soweit vorhanden – auf ein Doppelbesteuerungsabkommen („DBA“) zurück, um das Besteuerungsrecht für die Gewinne der Betriebsstätte
(Permanent Establishment – PE) einem Land zuweisen zu können. DBA werden regelmäßig nach einem von der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) entwickelten Musterabkommen (auch OECD-MA) abgeschlossen. Darüber hinaus orientiert sich die nationale gerichtliche Auslegung grundsätzlich an der aktuellen Kommentierung zum OECD-MA (dynamische Auslegung). Meist ist in Art.5 eines DBA geregelt, wann eine steuerpflichtige Betriebsstätte in einem Vertragsstaat vorliegt.
III. Die Kriterien im Überblick
Die Kriterien für eine Betriebsstätte im nationalen Recht und im Sinne eines DBA sind grundsätzlich zu trennen, lassen aber folgende allgemeine Leitlinien erkennen:
- Wenn die Geschäftstätigkeit des Unternehmens aus Land A in Land B (durchgeführt von seinen Geschäftsführern/ Direktoren oder Mitarbeitern) einen wesentlichen Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens in Land B ausmacht, ist von einer Betriebsstätte auszugehen.
Dazu gehören
- die Festlegung und Durchsetzung der Unternehmensrichtlinien,
- die Organisation des (gesamten) Unternehmens,
- Einstellung von Personal,
- Festlegung der Höhe der Gehälter,
- Strukturierung von Geschäftsbeziehungen mit Vertragspartnern,
- Verhandlungen mit den Kreditgebern und sonstigen Vertragspartnern,
- Entscheidungen in Steuerfragen, Buchhaltungskontrolle etc.
- Eine Betriebsstätte wird auch angenommen, wenn Management oder Mitarbeiter eines Unternehmens in Land A die Geschäftstätigkeit in Land B weitestgehend unabhängig betreiben, d.h. sie führen die Geschäfte des Unternehmens in Land B ohne wesentliche Unterstützung der lokalen Mitarbeiter.
- Der Faktor, der die Lokalisierung der Gewinne aus dem Handel mit Waren und Erzeugnissen zum größten Teil bestimmt und eine Betriebsstätte auslöst, ist in der Regel der Ort, an dem die Kauf- und Verkaufsverträge abgeschlossen werden. „Abgeschlossen“ bedeutet nicht nur, dass die Verträge rechtsgültig unterschrieben werden. Der Begriff umfasst auch die Verhandlung, den Abschluss und die Ausführung auch nur einiger Bestimmungen der Verträge. Dies gilt auch unabhängig davon, ob die jeweiligen Mitarbeiter befugt sind, Verträge im Namen des Unternehmens zu unterzeichnen oder nicht.
- Immer größerer Bedeutung wird in Zukunft auch dem Ort der Wertschöpfung eines Unternehmens beigemessen. Die wertschöpfungsorientierte Besteuerung von multinationalen Unternehmen ist Ausfluss des BEPS-Projekts (Base Erosion and Profit Shifting – BEPS) der OECD, um eine gerechtere, weltweite Steuerverteilung zu erreichen. Demnach soll dort besteuert werden, wo der wirtschaftliche Mehrwert eines Unternehmens geschaffen wird.
Dies kann u.a. durch „significant people functions”, also wesentlichen Personalfunktionen erfolgen. Dort, wo die federführenden oder vertretungsberechtigten Verantwortlichen eines Unternehmens (CEO, Direktoren, Geschäftsführer, Proku-risten etc.) agieren, wird im Grundsatz auch ein Großteil des Mehrwerts eines Unternehmens geschaffen. Häufige Entsendungen bzw. das Privileg der örtlichen Flexibilität von Führungspersonen hinsichtlich ihres Arbeitsortes, sind daher streng zu prüfen und steuerlich vorsichtig zu gestalten.
Eine Betriebsstätte wird hingegen nach allgemeiner Sicht nicht begründet, wenn die Tätigkeit im anderen Land ausschließlich aus Hilfs- oder Vorbereitungsaktivitäten besteht, wie z.B.
- Lagerhaltung (ggf. problematisch),
- Ausstellungen,
- Informationsbeschaffung,
- Hilfe bei der Errichtung eines Büros,
- Reparatur von Maschinen,
- technischer Support, etc.
IV. Baubetriebsstätte
Eine Betriebsstätte wird nach den Regelungen des Art. 5 Abs. 3 OECD MA durch eine Bauausführung oder Montage begründet, wenn diese Tätigkeit die Dauer von zwölf Monaten überschreitet (einzelne DBA enthalten abweichende Fristen, bspw. 6Monate oder 180 Tage). Die Frist beginnt mit der Aufnahme der ersten Vorbereitungs- und Nebenarbeiten in dem Vertragsstaat, die dem Betrieb der Baustelle unmittelbar dienen. Sie endet mit dem Abschluss der der mangelfreien Abnahme und Übergabe der Anlage an den Auftraggeber.
V. Exkurs
Deutschland ist Unterzeichnerstaat des Mehrseitigen Übereinkommens (Multilateral Instrument – MLI) der OECD. Durch dieses erfolgt eine quasi automatische Anpassung der durch Deutschland unterzeichneten DBA, soweit der jeweilige Vertragsstaat eine übereinstimmende Auswahl der Anpassungen vorgenommen hat (sog. matching). Bezüglich Art. 5 der deutschen DBA hat Deutschland lediglich eine Anpassung des Abs. 4 an das OECD-MA 2017 ausgewählt. Grundlegende Änderung bezüglich Art. 5 treten durch das MLI somit nicht ein.
Darüber hinaus ist zu beachten, dass Betriebsstätten für Zwecke des Fremdver-gleichsgrundsatzes und der Verrechnungspreise weitgehend wie eigenständige und unabhängige Unternehmen behandelt werden, was zu erheblichen Herausforderungen führen kann (vgl. dazu die 44 Seiten
Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise vom 21 Juli 2021 m. w. N.). Die Leistungen, die die Betriebsstätte vom Mutterhaus erhält, müssen zu fremdüblichen Kosten abgerechnet werden. Dies gilt auch für die Kostenbelastung der Betriebsstätte durch IT-Leistungen oder allgemeine Overheads des Mutterhauses.
VI. Fazit
Das Vorliegen einer Betriebsstätte hängt von einer Gesamtschau aller relevanten Umstände ab (totallity of fact) und kann von Fall zu Fall unterschiedlich festgelegt oder bewertet werden.
Zudem sind die jeweiligen nationalen Regelungen sowie Doppelbesteuerungsabkommen im Blick zu behalten und auszuwerten. Für multinationale Unternehmen ist es wichtig zu prüfen, welche Rechte und Pflichten in den jeweiligen Arbeitsverträgen vereinbart sind und welche Tätigkeiten tatsächlich in den jeweiligen Ländern ausgeführt werden, um einen Überblick über die verschiedenen Funktionen der Mitarbeiter zu behalten und zu kontrollieren. Besonders zu beachten ist dabei, ob Führungspersonen wesentliche Teile der Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens in einem anderen Land weitestgehend unabhängig ausführen. Aber auch einfache Mitarbeiter, die wichtige Aufgaben wahrnehmen (die unter Umständen vertraglich nicht festgelegt sind) können das Vorliegen einer Betriebsstätte auslösen. Es bedarf folglich einer genauen Planung, um eine unfreiwillige Besteuerung in den jeweiligen Ländern zu vermeiden.